Beikost und Beikostreifezeichen

Immer öfter tauchen auf Social Media Kanälen und Mütterforen Bilder zum Thema Beikostreifezeichen auf und immer wieder sieht man dabei, dass die meisten Mütter davon noch nie etwas gehört haben.

Aufgewachsen sind die heutigen Mamas in einer Zeit, in der Gläschenbrei neben Formulamilch als eine der größten Errungenschaften der modernen Zeit galt. Die Säuglingsnahrungshersteller verbreiteten (und tun es immer noch) ihre Werbestrategien auf so aggressive Weise, dass die Werbung bald als Fakten und die Hersteller als absolute Fachkompetenz gesehen wurden und in vielen Fällen auch weiterhin werden.

Dass Kinderärzte in ihrem Studium kaum etwas zu den Themen Säuglings- und Kleinkindernährung lernen und sich daher selbst fortbilden müssen, ist erst mal kein Problem. Wären da nicht die hohen Kosten der Fortbildungen, die die Ärzte und auch Hebammen selber tragen müssen und wären da nicht wieder die Säuglingsnahrungshersteller, die diesen Umstand schamlos ausnutzen.

Von Säuglingsnahrungsherstellern bezahlte Fortbildungen versprechen kostenloses Fachwissen. Dass hier aber Fakten verdreht, Studien (absichtlich) falsch gelesen und interpretiert werden und auch sonst nur die Dinge weitergegeben werden, die vor allem dem Geldbeutel der Anbieter helfen, ist hierbei leider nur den wenigsten wirklich bewusst. Weiter verlassen sich viele Eltern blind auf das Wohlwollen der Herstellerfirmen und dem Staat. So lese ich nicht selten, dass Zucker im Brei, Folgenahrung, Kindermilch und Co und eben auch die allgegenwärtige Empfehlung der Beikosteinführung nach dem 4. Monat mit seinem längst veralteten B(r)eikostfahrplan, bei dem so schnell wie möglich alle Milchmahlzeiten ersetzt werden, doch gar nicht so falsch sein kann – sonst wäre es doch  längst verboten …

Ich weiß nicht wie es euch geht, aber mir reicht es nicht, dass meine Kinder einfach nur überleben.

Schnell kommen dann Sätze wie: „Hat uns ja auch nicht geschadet“ oder „Meine Kinder leben noch“. Ich weiß nicht wie es euch geht, aber mir reicht es nicht, dass meine Kinder einfach nur überleben.

Ach ja, die Nahrungsmittelindustrie. Die gleiche übrigens, die neben Säuglingsnahrung auch so schmackhafte Dinge wie Kinderwurst mit Clownsgesicht, Erdbeerkäse, Schokolade, Müsli und Joghurt mit kiloweise Zucker, Alkohol und 1000 andere Dinge, die der Gesundheit nicht gerade zuträglich sind, herstellt.

Immer wieder kommt es zu Lebensmittelskandalen, auch bei Säuglingsnahrung sehen die Ergebnisse alles andere als rosig aus, wie ein Ökotest zeigt.

Und genau diesen Herstellern und den von ihnen geschulten Ärzten sollte man trauen, wenn es um die Gesundheit des eigenen Kindes geht? Wohl eher nicht. Aber wen soll ich denn sonst fragen? Wem kann ich dann vertrauen? Das fragt ihr euch jetzt?

Eigentlich sind diese Fragen gar nicht so schwer zu beantworten. Es gibt jede Menge freie, nicht gesponserte Studien, Fortbildungen die selbst getragen werden müssen sowie Institutionen wie die Weltgesundheitsorganisation, die alle das gleiche Empfehlen und zwar ganz klar etwas anderes als die Breihersteller.

Diese Empfehlungen haben nichts mit Hygiene, Ernährung und Krankheiten zu tun, sondern mit der natürlichen und biologischen Entwicklung eines jeden Menschen.

Des weiteren gibt es durchaus Fachpersonal, dass extra in diesen Themen ausgebildet wurde. Das sind zertifizierte Stillberater (AFS, LLL, DAIS, EISL, AZLS, DKSL oder IBCLC) und Fachberater für Säuglings- und Kleinkindernährung. Und mal ehrlich: Wir lassen uns doch auch nicht von unserem (auf seinem Gebiet durchaus kompetenten) Metzger die Haare schneiden.

Die allgemeinen Empfehlungen der oben genannten Institutionen beziehen sich alle auf die Empfehlung der WHO. Die sich, anders als oft angenommen, sehr wohl auf die ganze Welt bezieht und nicht nur auf Dritte Welt Länder und andere Krisengebiete. Denn die Empfehlungen haben nichts mit Hygiene, Ernährung und Krankheiten zu tun, sondern mit der natürlichen und biologischen Entwicklung eines jeden Menschen.

Diese Empfehlung lautet wie folgt:

6 Monate ausschließliches Stillen danach, (unter Berücksichtigung der Beikostreife), Einführung geeigneter Beikost und dabei weiterstillen bis zum Alter von 2 Jahren und darüber hinaus, solange Mutter und Kind es wollen.

Die zu berücksichtigenden Beikostreifezeichen sind:

Dein Baby kann ggf. mit leichter Unterstützung im unteren Rücken aufrecht sitzen

Eltern haben oft wahnsinnige Angst davor, dass ihr Baby sich verschlucken könnte, weshalb sie sich auch lange nicht an feste Kost heran trauen. Wenn man aber die Reifezeichen beachtet, besteht im Normalfall gar kein Grund mehr zu Sorge. Der Würgereflex sitzt nämlich bei Säuglingen sehr weit vorne im Mund und nicht wie bei Erwachsenen hinten im Rachen. Dieser Reflex schaut zwar manchmal beängstigend aus, wenn die Kleinen anfangen zu husten und würgen, jedoch schützt er effektiv vor wirklichem Verschlucken. Kann das Kind noch nicht sitzen, wird es oft in einer Wippe, Babyschale oder einem Hochstuhl mit Liegeposition gefüttert, was nicht selten dazu führt, dass der Brei am Würgereflex vorbei in den Rachen rutscht und sich das Kind tatsächlich lebensgefährlich verschlucken kann.

Dein Baby kann seinen Kopf alleine halten

Eine Erklärung erübrigt sich hier, denke ich. Denn wenn man das erste Beikostreifezeichen berücksichtigt, muss dieses gezwungenermaßen auch erfüllt sein.

Dein Baby kann Nahrung selbständig greifen und zum Mund führen

Nur wenn es einem Kind möglich ist selbst zu essen, ist es beikostreif. Brei gab es jahrtausendelang nicht. Es gab zwar immer wieder Völker, die Nahrung vorkauten und den so entstandenen Brei dem Kind direkt in den Mund gaben, dies war aber meist eher aus der Not heraus als aus Überzeugung. Nur wenn ein Kind Essen selbst zu sich nehmen kann, kann es auch ohne stillen überleben.

Der Zungenstoßreflex, der Nahrung wieder aus dem Mund schiebt, ist vollständig verschwunden

Der so genannte Zungenstoßreflex ist ein Schutzreflex, der Säuglinge vor Fremdkörpern und eben auch Nahrung, die sein Körper noch nicht vertragen würde, schützt. Beim Stillen wird dieser Schutzreflex durch den Saugreflex, der durch die Berührung der Brustwarze am Gaumen ausgelöst wird, auf natürliche Art ausgeschaltet. Oft wird dieser Umstand von Eltern ausgenutzt um den Brei in das nicht beikostreife Kind zu bekommen. Indem das Kind dazu gebracht wird so weit den Mund aufzumachen, (z.B. wenn es beim sich Wehren zum Schreien den Mund öffnet) dass der Löffel am Zungenstoßreflex vorbei, tief in den Mund geschoben werden kann. Wodurch dem Kind nichts anderes mehr übrig bleibt als zu schlucken. Dies ist gleich in mehrerer Hinsicht alles andere als empfehlenswert. Abgesehen davon, dass ich von Machenschaften, die das Kind und dessen Willen in irgendeiner Weise brechen, absolut nichts halte, wird dem Essen im Mund durch das einspeicheln ein Enzym zugefügt, das bei der Verdauung hilft. Das Essen wird dadurch schon im Mund zum Teil vorverdaut, bevor es im Magen landet. Diesen Schritt auszulassen überfordert den Magen-Darm-Trakt. Zumal die Wahrscheinlichkeit, dass die für feste Nahrung erforderliche Darmreife schon gegeben ist, solange der Zungenstoßreflex noch vorhanden ist, sehr gering ist. Denn sonst hätte der Körper ja keinen Grund mehr, sich mit dem Reflex zu schützen.

Dein Baby zeigt echtes Interesse am Essen (nicht nur am Löffel,…)

Wenn ein Baby beikostreif ist, zeigt es in der Regel auch reges Interesse am Essen der anderen Familienmitglieder. Wenn man das Kind nun lässt, wird es sich schnell etwas von Mamas Teller klauen, es in den Mund stecken und darauf herum kauen. Dies ist wohl das untrüglichste Reifezeichen von allen. Dennoch wird es leider oft mit allgemeiner Neugierde des Kindes verwechselt. Hinterhersehen, schmatzen, Fäuste in den Mund stecken, … sind keine Beikostreifezeichen. Solange ein Kind sich mit Spielsachen oder einem leeren Löffel ablenken lässt, hat es kein Interesse an fester Nahrung.

Dein Baby macht Kaubewegungen

Echte Kaubewegungen versetzen dein Kind in die Lage, festes Essen zu sich zu nehmen. Solange es nur schmatzt oder lutscht, ist dieses Reifezeichen nicht erfüllt.

Das wichtigste aller Beikostreifezeichen sieht man allerdings gar nicht – die Darmreife. Der Darm ist erst mit etwa 6 Monaten so weit ausgereift, dass er feste Kost verträgt, ohne dass mit bleibenden Schäden gerechnet werden muss. Daher sollte auf jeden Fall, wie von allen Stillorganisationen und der WHO empfohlen, unbedingt 6 Monate (180) ausschließlich gestillt werden. Erst danach kann unter Berücksichtigung der Beikostreifezeichen mit der Beikost gestartet werden.

So könnt ihr euer Baby vor vielen möglichen Schäden schützen.

Zu frühe Beikosteinführung kann nicht nur Allergien und Unverträglichkeiten fördern, sondern kann auch zu irreparablen Schäden des Magen-Darm-Trakts führen.  Sie steht auch im Verdacht zu  chronischen Erkrankungen wie z.B.: Morbus-Chron beizutragen.

Würde ein Kind immer so weiter wachsen, wie am Anfang, hätten wir bald einen Elefanten statt einen Säugling zu Hause.

Viele denken, wenn das Kind plötzlich weniger schläft oder langsamer zunimmt, dass ihm die Muttermilch nicht mehr ausreicht und fangen deshalb mit Beikost an. Dies sind jedoch auf keinen Fall Anzeichen für Beikostreife, sondern ein ganz normaler Entwicklungsschritt. Am Anfang schläft ein Baby recht viel und nimmt sehr schnell zu. Nach etwa 3-4 Monaten ändert sich das und das Baby benötigt nun weniger Schlaf. Auch die Zunahme und das Wachstum verlangsamen sich sichtlich. Was auch gut so ist, denn würde ein Kind immer so weiter wachsen, wie am Anfang, hätten wir bald einen Elefanten statt einen Säugling zu Hause.

Euer Kind wird noch sein ganzes Leben lang feste Nahrung zu sich nehmen und schneller groß sein, als ihr denkt. Lasst ihm dabei bitte die Zeit, die es braucht.

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