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Eine der meist gestellten Fragen zum Thema „Was ist in der Stillzeit erlaubt?“,  ist ob sich eine stillende Mutter tätowieren lassen darf. Und tatsächlich sind Tattoos nur ein weiteres Beispiel wie stillenden Müttern das Leben unnötig schwer gemacht wird. „Dein Kind wird eine Infektion bekommen“, „ Willst du dass es HIV oder Hepatitis bekommt?“, „Du kannst eine ganz böse Entzündung bekommen“, … Diese Sätze sind nur wenige Beispiele für die Dinge die stillenden Frauen vorgeworfen werden, wenn sie darüber nachdenken sich in der Stillzeit ein Tattoo stechen zu lassen.

Stillenden Müttern wird es unnötig schwer gemacht

Meist sind es andere Mütter die es zwar gut meinen, den tätowierwilligen Mamas aber aus Unwissenheit Kindeswohlgefährdung vorwerfen. Oft sind es aber auch leider angehörige von Gesundheitsberufen oder uninformierte Stillberaterinnen die zur Verbreitung dieser Mythen beitragen. Und auch die meisten Tätowierer würden eine stillende Frau nicht wissentlich tätowieren. Oft höre ich die Meinung, dass Stillen nun mal auszehre und der Körper der Mutter daher nicht in der Lage wäre das Tattoo richtig zu heilen so lange sie stillt. Gleichzeitig ist es für die Tätowierer einfach eine Absicherung. Ähnlich den Beipackzetteln von Medikamenten, in denen Grundsätzlich steht, dass stillende Frauen das betreffende Medikament nicht nehmen dürfen. Es ist die gleiche Absicherung wie sie auch Ärzte durchführen wenn sie stillenden Frauen sagen sie dürften keine Medikamente nehmen. Für diese Fälle haben wir zum Glück das Pharmakovigilanz – und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie der Charité in Berlin, kurz Embryotox, das uns zeigt, dass diese Aussagen nicht stimmen. Für Tattoos haben wir so eine Anlaufstelle leider nicht. Leider müssen Frauen in der Stillzeit auch immer wieder mit viel Ignoranz, Vorwürfen und teils sogar Bestrafungen fertig werden. Es darf nicht sein, dass es Gerichten möglich ist, einer Frau das Stillen zu verbieten, weil sie sich während der Stillzeit tätowieren lies wie es vor ein paar Jahren in Australien der Fall war. Keine einzige fundierte Fachkraft wurde in der Verhandlung angehört.

Eine stillende Frau hat das Recht fachlich fundierte Informationen bereit gestellt zu bekommen

Es ist völlig egal, was eine Person persönlich von solchen Dingen wie Tätowierungen hält. Eine stillende Frau hat nicht nur das Recht fachlich fundierte Informationen bereit gestellt zu bekommen, sondern auch das Recht ihre eigenen Entscheidungen ohne unnötige Einschränkungen zu treffen.

Entgegen der weit verbreiteten Meinung sind Tattoos (genauso wie Piercings oder andere Body Modifikationen) mit dem Stillen durchaus kompatibel, sofern bestimmte Vorsichtsmaßnahmen beachtet werden.

Alles was wir im Leben tun, birgt Risiken. Die meisten alltäglichen Dinge sehr viel mehr als ein Tattoo. Es geht darum Entscheidungen auf Basis fundierter Fakten zu treffen:

  • Alle allgemeinen Informationen zum Tätowieren gelten auch für stillende Frauen.
  • Die Vorschriften des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches (LFGB) für kosmetische Mittel gelten seit 2005 auch für Tätowierfarben. Gemäß §26 dürfen diese Mittel nicht so hergestellt und in den Verkehr gebracht werden, dass sie bei „bestimmungsgemäßem oder vorauszusehendem Gebrauch geeignet sind, die Gesundheit zu schädigen“
  • Die molekulare Struktur der Tätowierfarbe ist zu groß um in die Muttermilch zu gelangen, selbst wenn etwas davon ins Blut der Mutter übergehen sollte.
  • Muttermilchbanken akzeptieren keine Spenden von Müttern, die sich in den letzten 6 Monaten tätowieren ließen, da möglicherweise Infektionen durch das Blut übertragen werden könnten. Diese Tatsache bestätigt für viele die Gefährlichkeit von Tätowierungen in der Stillzeit. Sehen wir uns aber mal die Daten dazu an, wird schnell klar, dass dies eine reine Vorsichtsmaßnahme vor allem für besonders fragile Frühchen ist und nicht auf das Tätowieren an sich übertragen werden kann.

1985 haben die Centers for Disease Control in Atlanta, Georgia, USA nationale Richtlinien für den Schutz während des Tätowierungsprozesses erlassen. In diesem Zuge wurden seither alle Infektionen die im Zusammenhang mit Tätowierungen aufgetreten sind protokolliert.

Seit Beginn der Aufzeichnungen gibt es keinen einzigen dokumentierten Fall einer übertragenen HIV Infektion oder einer Syphilis Infektion. Es gibt 12 dokumentierte Hepatitisfälle nach einer Tätowierung in den USA. Die Gefahr beim Zahnarzt an Hepatitis zu erkranken ist tatsächlich 300% größer.

  • Lokale Infektionen sind die häufigsten Risiken des Tätowierens. In Zuge dessen kommt es häufig dazu, dass die Farbe nicht überall richtig angenommen wird und ein Nachstechen erforderlich wird. Dies ist vor allem dann ein Problem, wenn die tätowierte Person die Nachsorge nicht befolgt. Gesunde Menschen haben ein sehr geringes Risiko nach einer Tätowierung eine Infektion zu bekommen.
  • Seriöse Tätowierer befolgen allgemeine Vorsichtsmaßnahmen wie die Sterilisation der Tätowiermaschine mit einem Autoklaven, nutzen Tintenbecher, Handschuhe und Einwegnadeln, waschen gründlich ihre Hände und desinfizieren alle Oberflächen. Dies verringert die Infektionsgefahr nochmal erheblich.
  • Das systemische und lokale Infektionsrisiko gilt für stillende Frauen in dem gleichen Umfang wie für den Rest der Bevölkerung.
  • Und sollte es doch zu einer Infektion kommen, können stillende Frauen genauso wie alle anderen mit den nötigen Medikamenten (auch Antibiotika) behandelt werden.
  • Oft wird behauptet, dass die Farbe bei stillenden Frauen aufgrund der Hormonlage nicht richtig aufgenommen wird und zudem das Tattoo schlechter abheilt. Das stimmt nicht. Abgesehen davon, dass wir Frauen zyklusbedingt unser Leben lang Hormonschwankungen unterworfen sind und uns nach dieser Logik daher nie tätowieren lassen dürften, ist der Hormonstatus nach den ersten Monaten außerhalb einer Stillmahlzeit nicht mehr von dem einer nicht stillenden Frau zu unterscheiden.

Wenn du dich gerne tätowieren lassen möchtest, halte dich einfach an ein paar Vorsichtsmaßnahmen

  • Lerne dein Tattoostudio kennen. Gehe nicht einfach irgendwo hin. Welches Studio wird oft empfohlen? Sieh dir an wie dort gearbeitet wird. Ist es sauber dort? Lass dir Lizenzen zeigen.
  • Achte darauf, dass der Tätowierer die allgemeinen Vorsichtsmaßnahmen befolgt: Trägt er Handschuhe? Nutzt er Einwegnadeln? Desinfiziert er Oberflächen und Geräte?
  • Befolge die Pflegeanweisungen deines Tätowierers. Es kann bis zu 3 Wochen dauern, bis das Tattoo komplett verheilt ist. Beachte das bevor du dich tätowieren lässt.
  • Sei gesund wenn du dich tätowieren lässt. Wie bei jeder anderen Verletzung der Haut gilt auch beim Tattoo: je gesünder du bist und je besser du aufpasst, desto unwahrscheinlicher ist eine Infektion und desto besser wird es verheilen. Daher solltest du auch überlegen, dich vielleicht nicht unbedingt gleich nach der Geburt tätowieren zu lassen, sondern so lange zu warten bis alles gut verheilt ist und du dich wieder fit fühlst.

Stillende Mütter haben beim Tätowieren sogar Vorteile.

Zum Schluss noch zwei Vorteile die stillende Mütter genießen, wenn sie sich tätowieren lassen. Stillen direkt vor dem Tätowieren sorgt durch das ausgeschüttete Oxytocin für weniger Schmerzen und Muttermilch kann dank seiner antibakteriellen Wirkung sogar bei der Abheilung des Tattoos helfen. Du siehst, es gibt objektiv betrachtet keinen Grund dein Baby nicht auch mit einem verzierten Körper zu stillen.

Immer wieder sind die Medien der Ansicht, dass sie einen Nährboden für Unwissenheit schaffen müssen, indem sie

Fragen stellen wie „Sollte es in der Öffentlichkeit Einschränkungen beim Stillen geben?“ Die Antwort

 auf diese Frage ist einfach NEIN! Es sollte und darf keine Einschränkungen 

geben. Es gibt unzählige Gründe, warum Frauen jederzeit und überall stillen sollten und können:

1. Stillen ist ein anerkanntes Menschenrecht. Für die Mutter und für das Kind.

2. Es ist das Recht des Kindes zu essen ohne sich dabei verstecken zu müssen.

3. Es ist das Recht des Kindes, unter hygienischen Bedingungen zu essen. Eine Toilette gehört da nicht dazu.

4. Es ist das Recht des Kindes zu essen, wenn es Hunger hat.

5. Jede Frau hat das Recht auch als Mutter voll am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können.

6. Um eine Saugverwirrung zu vermeiden.

7. Um eine zu geringe Milchbildung und verfrühtes Abstillen zu vermeiden.

8. Weil es illegal ist, eine Frau aufgrund ihres Geschlechts, einschließlich Schwangerschaft und Stillzeit, zu diskriminieren.

9. Frauen zu sagen, sie sollen diskreter oder am besten gar nicht in der Öffentlichkeit stillen, ist ein Versuch sie zu kontrollieren und trägt Frauen an den Rand der Gesellschaft.

10. Weil es für junge Mütter schon schwer genug ist ihr Baby beim Stillen richtig zu halten, auch ohne dass sie ständig schauen müssen ob man auch ja nichts sieht.

11. Weil Mütter es nicht verdienen herabgesetzt und gedemütigt zu werden, wenn sie ihrem Kind das Beste geben, was es gibt.

12. In der Werbung werden so oft Kinder gezeigt, die mit einer Flasche gefüttert werden. Für das Stillen gibt es keine Werbung. Es braucht echte stillende Mütter um diese Bilder zu verdrängen.

13. Die meisten jungen Mütter haben noch nie eine andere Frau stillen gesehen. Dies sorgt nicht nur dafür, dass Frauen sich seltener für das Stillen entscheiden, sondern auch dafür, dass stillende Frauen mehr Stillprobleme haben, weil sie nie gelernt haben, wie das Stillen funktioniert.

14. Kinder müssen sehen, dass Brüste zum Stillen verwendet werden bevor sie als Sexobjekte eingeführt werden, um ihre natürliche Funktion zu verstehen.

15. Weil Stillen die einzige natürliche Art ist, ein Baby zu ernähren.

16. Weil jeder sich wegdrehen und wegsehen kann, wenn er etwas nicht sehen möchte.

17. Weil jeder einzelne hier aufgelistete Grund wichtiger ist als die Meinung und Ausreden erwachsener Menschen.

Stillen in der Öffentlichkeit